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„Ceci est une eglise“
Zeitgenössische Kunst zur Garnisonkirche
Einführungsrede zur KunstAktion
14. – 27. November 2014
Nagelkreuzkapelle, Potsdam
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Franck,
liebe Künstlerinnen, liebe Künstler,
auch ich begrüße Sie ganz herzlich zu dieser KunstAktion in der
Nagelkreuzkapelle.
Eine Reihe von Künstlern sind der Einladung der
Fördergesellschaft gefolgt und haben sich in einem Werk frei und
ungebunden mit ihrer Vorstellung von der ehemaligen
Garnisonkirche beschäftigt. Sie setzten sich kritisch mit dem
kontrovers geführten Thema auseinander, das viele Menschen
bewegt —- manche aufregt.
Die Ausstellung präsentiert eigenständige Arbeiten zur
Garnisonkirche aus unterschiedlichen Perspektiven und
künstlerischen Ansätzen und ist keine ‚Werbe-Veranstaltung’.
Was allen Arbeiten gemeinsam ist: Sie regen an zur Diskussion
und zum Nach-Denken.
Nahezu alle Gattungen der zeitgenössischen Kunst sind vertreten:
Malerei, Grafik, Fotografie, Relief, Skulptur und Installation.
Da es bereits eine Vielzahl von Darstellungen der Garnisonkirche
gibt, ist es für jeden Künstler eine besondere Herausforderung
seine Vorstellung von dieser verloren gegangenen Kirche so zu
gestalten, wie es vor ihm noch keiner getan hat. In dieser
künstlerischen Aufgabe liegt nicht zuletzt ein großer kreativer
Reiz, an dem Sie, liebe Besucher, nun teilhaben können.
Die Unverwechselbarkeit in Stil und Idee hat viele Gesichter,
wie die 20 Künstlerpersönlichkeiten.
Ich habe die Werke einzelnen Gruppen zugeordnet, die sich aus
einem Schwerpunkt ableiten, den ich jeweils in den Arbeiten
erkenne. Diese Einordnung schließt nicht aus, dass in ein und
demselben Werk oft auch Anteile anderer Kategorien
veranschaulicht werden.
Meine Zuordnung habe ich unabhängig von der Hängung getroffen,
die ganz nach ästhetischen Gesichtspunkten ausgerichtet ist.
Meinen kurzen Überblick habe ich in 4 Teile gliedert:
1.) Schönheit der ehemaligen Garnisonkirche
2.) Historische Einbettung (Zerstörung und politischer Kontext)
3.) Konzeptionelle Ansätze
4.) Schmerz und Wunden
Ich kann Sie beruhigen: Da es nicht ausreichend Sitzplätze gibt,
werde ich mich sehr kurz fassen. (Sie haben jetzt nur noch mit
ca. 12 Minuten zu rechnen.)
Teil 1: Die Schönheit der ehemaligen Garnisonkirche
Beginnen möchte ich meinen Rundgang mit einer schlichten
Kohle-/Tusche-Zeichnung des 1981 verstorbenen
Hans Goetsch. Er schildert die Garnisonkirche sehr schlicht und
sachlich, aber in ihrer Schönheit darum nicht weniger
eindrucksvoll. Der markante Turm ragt mit seinem
beliebt-berühmten Glockenspiel als klares christliches Zeichen
über der Häuserzeile auf.
kommt es in seiner Federzeichnung besonders auf die Schönheit
der Architekturformen an, die für ihn von der barocken
Geschichte erzählen. Innen- und Außenraum durchdringen sich, wie
der Wechsel von Licht und Schatten auf den reichen Verzierungen.
Gesina Seldte knüpft mit ihrem augentäuschenden Papier-Relief an
die Schönheit dieser Architektur-Details an. Nach ihrer
fingierten Geschichte wurden damals drei gefundene Zierelemente
des Fassadenschmucks in einem Kasten verpackt und vergessen, bis
der rostige Deckel aufbrach und damit die Kirche wieder in das
Bewusstsein der Menschen tritt. Ein „Aufbrauch“ (= Werktitel) in
mehrerlei Hinsicht
Auch die Collage von Olaf Thiede mit ihrem programmatischen
Titel „Gesamtkunstwerk Potsdam – die Garnisonkirche und die
Geometrie der barocken Stadt“ hat sehr viel mit der Schönheit
der Form und des Zwecks und ausgewogenen Proportionen zu tun.
Der Künstler geht in seiner sehr detaillierten Arbeit auf die
Qualität und Harmonie der historischen Bausubstanz ein und auf
den ganzheitlichen Kontext des Kirchturms im Potsdamer
Stadtgefüge.
Fritz Paulick plädiert in seinem Triptychon für die Schönheit
der reinen Farben und für eine Einladung zur Meditation. Er
sagt: „ Kunst ist nicht zweckgebunden. Aber dadurch, dass mein
Werk jetzt hier in der Nagelkreuzkapelle ausgestellt ist, ist
das mein Statement“, d.h. als eine Art Bekenntnis zu verstehen.
Ich komme zum 2. Teil:
Der Einbettung der Garnisonkirche in ihre wechselvolle
Geschichte.
Trotz oder vielleicht gerade wegen der vielschichtigen,
politischen Problematik schöpften die meisten Künstler ihre
Anregungen aus dieser Quelle.
So schildern sie auf unterschiedliche Weise Formen der
Zerstörung und des politischen Geschehens. Zum Teil in
gegenständlich, figurativen Darstellungen, zum Teil abstrakt.
Bei dem Gemälde von Professor Bernd Guggenberger ahnt man nur
noch die ehemals präzise unterlegte Struktur sowie ein rötliches
Doppelkreuz, das nun von vegetabilen Elementen überlagert – so
zu sagen von der Natur zurückerobert wird – und zunehmend ins
Chaos zu führen scheint.
Die „Campanile“-Ruine mit den niedergelegten Glocken-Steinen aus
Granit-Findlingen von Robert Schmidt-Matt mahnen an das
Schweigen der Glocken der Mark Brandenburg, das manchmal
deutlicher tönen kann als ein klangvolles Geläut.
Anspielungen auf die Zerstörung finden sich auch auf dem
hochformatigen Bild von Tina Brauckmann, das sie auf eine große
Metallplatte malte. Dieser besondere Untergrund lässt die Farben
immer wieder in einem etwas anderen Licht erscheinen, doch stets
wird der Kirchturm von blutroten Flammen bedrängt.
Von Detlef Schöning stammt die Foto-Collage auf der er hinter
der Turmruine den Himmel signalrot aufleuchten lässt. In seinem
verfremdeten Farb-Dia von 1960 fügte er auf dem Weg zur Kirche
schwarze Markierungen, zum Teil in Kreuzform, ein und versieht
diese mit geschichtsträchtigen Jahreszahlen, wie Wendepunkte.
Wolfgang Baumgardts Triptychon „Protagonisten“ ist wie gemacht
für einen Moritatensänger, der dem Betrachter – in einer
deutlichen Bildsprache – die aufregende Geschichte der
Garnisonkirche vor Augen führt. Links Aufstieg und Glanz mit dem
Bauherrn Friedrich Wilhelm I., dann die denkwürdige Begegnung
Hitlers mit Hindenburg und später die mutwillige Zerstörung
durch Ulbricht, sowie Baumgardts Hoffnung auf Wiederaufbau.
Auf Christian Heinzes großer Radierung wird der achsial
platzierter Turm von den athletischen Laternenträgern der alten
Kanalbrücke flankiert, während links und rechts unterschiedliche
historische Anspielungen und Symbole von Leben und Tod
auftauchen.
Peter Cange stellt – ganz in barocker Manier – eher spielerische
Bezüge her, indem er die Garnisonkirche in das Modell einer
Spieluhr verwandelt und dieses am Rand seines Bildes mit
Porträts preußischer Monarchen und der Königin Luise umrahmt.
Mit einer anderen Art von Augenzwinkern präsentiert sich der
turmhoch ausgestreckte Terrakotta-Zeigefinger von Rainer Sperl;
einem friedlichen Gegner des Wiederaufbaus. Sein Fingerzeig –
mit integriertem preußischen Solddaten in Uniform und
Pickelhaube als umgedrehtes Ölkännchen – ist zugleich ein
Achtungszeichen. Etwa nach dem Motto: „Bedenket wohl, was Ihr da
macht!“ Seine freundliche Mahnung ist durchaus an beide Seiten
gerichtet: an Befürworter wie Gegner des Wiederaufbaus.
Das scheint mir eine passende Überleitung zu der Karikatur von
Jörg Hafemeister zu sein, einem kritischen, aber grundsätzlichen
Befürworter der Garnisonkirche, der viel Spaß daran hat, die
Vertreter eben dieser beiden Seiten mit spitzem Stift einander
gegenüber zu stellen. Ein tiefer Graben zwischen beiden Gruppen
verhindert, dass die verbalen Angriffe in tätliche Attacken
übergehen!
Ich komme zu Punkt 3: Zu eher konzeptionellen Ansätzen.
Jetzt möchten Sie sicher von mir hören, was die 3 Worte „Sack“,
„irren“ und „Honig“ – der Buch- und Buchstaben-Installation von
Jutta Pelz – mit der Garnisonkirche zu tun haben??? Nichts! Nur
insofern, dass es sich hier um ein Anagramm handelt. Also um
Worte, die aus einer Umstellung einzelner Buchstaben eines
anderen Wortes – z.B. ‚Garnisonkirche’ – entstanden sind.
Anagramme schaffen neue gedankliche Freiräume. Vielleicht
gelingen Ihnen aus den 14 Buchstaben noch weitere
Wortschöpfungen?
Der formal-ästhetische Bezug der kleinen Stahl-Skulptur „Drei
Quader“ von Karl Menzen zu dem riesengroßen schützenden
Gitterkäfig der Wetterfahne an der Breiten Straße ist rein
zufällig. Denn der Bildhauer sah diese Schutzkonstruktion erst
bei seiner Werkanlieferung. Menzen geht es vielmehr um das
bildhauerische Wechselspiel zwischen Fragilität und Stabilität
in einer offenen Dreiecks-Komposition. Das Aufzeigen von
Widersprüchen erscheint ihm zutreffend für die Geschichte der
Garnisonkirche.
Nun haben Sie es gleich geschafft!
Ich komme schon zum 4. und letzten Teil meiner Gliederung: Zu
Schmerz und Wunden.
Diesem Bereich habe ich vier sehr unterschiedliche Werke
zugeordnet.
Auch wenn es der elegante weibliche Engel mit roten Lippen und
Nagellack auf den ersten Blick nicht vermuten lässt, hat der
Modedesigner und Schöpfer dieser Zeichnung, Wolfgang Joop,
seiner Arbeit den tiefsinnigen Titel gegeben: „Many wounds but
no tears“ („Viele Wunden, aber keine Tränen“). Als Begründung
und Erklärung notiert er unter dem Titel: „Because: Paradise is
a state of mind“ ( „Das Paradies besteht nur im Kopf “). Unten
links ist über seiner Signatur ergänzend zu lesen: „Who told you
Angles are out of fashion“ („Wer sagte dir, Engel seien aus der
Mode?“).
Der stilistische Kontrast zu dem Gemälde „Schmerzensmann 2014“
von Christine Jaschinsky könnte nicht stärker sein. Christus als
Stellvertreter für die geschundenen Kreaturen mit verbundenen
Augen und bandagierter Hand. Die Malerin steht dem Wiederaufbau
der Garnisonkirche kritisch gegenüber, da von hier aus – wie
damals überall üblich – die Soldaten in den Krieg zogen.
Andererseits wäre es wichtig gerade diesen Ort zur Versöhnung zu
haben.
Nach dem geradezu monumentalen Bild des Schmerzensmannes als
allgemeine Metapher für Leid und Unrecht in der Welt,
thematisiert Marianne Gielen für sich in ihrem
ungegenständlichen Triptychon mit kräftigen Farben und
aufgewühlten Gesten das himmelschreiende Elend, das das
Naziregime heraufbeschworen hat sowie den unseligen ‚Tag von
Potsdam’, der immer wieder mit der Geschichte der Garnisonkirche
in Zusammenhang gebracht wird und nach wie vor die Gemüter
bewegt.
In ihrer unprätentiösen schwarz-weiß Fotografie bringt Monika
Schulz-Fieguth – auf beunruhigend ruhige Weise – den Schmerz und
die Klage um die mutwillig gesprengte Garnisonkirche auf den
Punkt: „Die große Leere“, so nennt sie ihre Arbeit. Fast könnte
man ihr Bild für eine dokumentarische Aufnahme halten, wäre da
nicht diese Lücke, diese architektonische Leerstelle, die wie
eine Wunde aufklafft und nach Heilung ruft!
Vielleicht fragen Sie sich, ob das Ausradieren der
Garnisonkirche aus dem Potsdamer Stadtplan wirklich die
geeignetere Form ist, sich mit ihrer – und unserer – Geschichte
auseinander zu setzen?
Kann eine Lücke in der Architektur des Stadtbildes – oder wie
Monika Schulz-Fieguth es bezeichnet „Die große Leere“ – besser
zum Nachdenken anregen als ein Denk-Mal, eben die
wiederaufgebaute Garnisonkirche?
Darüber noch einmal intensiv nachzudenken, lohnt sich sicher in
der gegenwärtigen Diskussion.
Das entspricht auch der eigentlichen Bedeutung des Wortes:
„Denk-Mal“!
Dr. Sabine Hannesen, Kunsthistorikerin, Berlin
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