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Wilde Pinselschwünge über Kontinente
hinweg
Die Potsdamer Künstlerin Marianne Gielen zeigt die abstrakten
Bilder ihrer Reise-Eindrücke im Kunsthaus „Im güldenen Arm“
Leuchtendes Gelb aus Westafrika hat Marianne Gielen in das
Museumshaus „Im Güldenen Arm“ in Potsdam gebracht. Auf einem
rauen, sandfarbenen Blatt Papier überlagern sich Kreise und
Linien, finden sich bröckelige Strukturen unter unruhig
zitternden Zeichen, deutet ein scheinbar schwebendes Blau
möglicherweise ein Stück vom Himmel an.
Auf viele Reisen in die ganze Welt hat sich Marianne Gielen zu
ihren Bildern inspirieren lassen, jetzt breiten sich die
Landschaften auf Leinwänden und Papier aus. Aber es sind keine
Schilderungen der äußeren Ansichten, sondern innere Eindrücke,
in Rhythmen und Zeichen gefasst, die sich hier in der
Zweidimensionalität wiederfinden. „Die naturalistische
Schilderung ist mir nicht wichtig, es geht mir um das Erlebte“,
fasst die Künstlerin ihre Haltung beim Malen zusammen.
Marianne Gielen hat schon viele Kontinente bereist. Im April
dieses Jahres fliegt sie auf Einladung eines Künstlerverbandes
nach Krasnojarsk in Sibirien, um dort an einer Künstlerjury
teilzunehmen. In den Jahren 2003 und 2002 sind Arbeiten zu
Afrika entstanden. Afrika, sagt Gielen, begeistere sie. „Heute
wäre die Reise dorthin wohl gar nicht mehr möglich“, vermutet
sie aber mit Hinblick auf die gegenwärtigen Kriege und
Rebellionen: Dreimal hat die Potsdamerin die Maghreb Staaten und
Mali bereist. Jedes Mal ist sie voll von Eindrücken
zurückgekehrt. Wie Staatsgäste seien die Deutschen bei ihrer
Reise vor zehn Jahren behandelt worden. Das habe wohl auch daran
gelegen, dass die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit mit
von der Partie war. Timbuktu und Kamtschatka waren Stationen der
Reise. „Mit einer Barkasse sind wir den Niger hinauf gefahren“,
sagt Gielen. Später, in ihrem Atelier, hat sie dann Arbeiten mit
fragilen Linien, brüchigen Strichen und schrundigen Oberflächen
geschaffen. Die Wüstensonne scheint in den brüchigen
Papierbildern aufzuleuchten.
In ihrem Text zur Ausstellung verweist die Kunsthistorikerin
Gerlinde Förster auf Roland Barthes, mit dem sich Gielen
intensiv auseinandergesetzt habe: Nicht die Bedeutung und die
Lesbarkeit der Zeichen auf der Leinwand seien wichtig, sondern
das Fremde, das Undechiffrierbare und das Geheimnis hinter den
Bildern. „Es entsteht dahinter eine Geometrie der Gefühle“, so
beschreibt es Förster.
Die 70-jährige Marianne Gielen studierte in den 60er-Jahren
Rechtswissenschaften, erst in den 80er-Jahren verschrieb sie
sich ganz der Malerei. Ihre Bildsprache schöpft noch aus der
Zeit ihres Kunststudiums, die Nachwehen von den stilistischen
Strömungen Informel und Tachismus sind in ihren Bildern deutlich
zu erkennen. Dort ging es darum, den bewusst gestaltenden Willen
auszuschalten, ganz aus dem Unterbewussten zu schöpfen, sich dem
Rhythmus des Materials zu überlassen. Die Figur war verpönt.
Nach einem Jahrzehnt, in der das Narrative in der Malerei wieder
dominierte, lebt die ungegenständliche Schule derzeit wieder
auf. Die Bilder von Marianne Gielen zeigen, wie weit das
Spektrum des Ungegenständlichen reichen kann: Impressionen aus
Indien vermitteln ganz andere Stimmungen als die afrikanischen
Zeichnungen. Dunkelblaue Flächen überlagern flammendes Rot, ein
bedrückend dunkler Farbraum entsteht. Während eines
Atelier-Stipendiums in Neu Delhi habe sie Indien als “dunkel und
fremd“ erlebt. Viel Umweltzerstörung gebe es dort, auch
Naturkatastrophen würden das Land prägen, schildert Gielen. Den
Kontrapunkt dazu setzen in der Ausstellung Bilder mit wilder
Farbigkeit.
Richard Rabensaat
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