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Die Wucht der Chimären
von Richard Rabensaat
Bunt mit schwarzem Gitter. Das Werk LUUA II von Marianne Gielen.
F.: Kunstverein
Der Kunstverein KunstHaus beginnt das Jahr mit einer Ausstellung
ohne thematische Vorgabe
Es sei ja überhaupt völlig selbstverständlich, und daher kein
Thema, dass der Kunstverein KunstHaus Potsdam den Dialog unter
seinen Mitgliedern suche und vorantreibe, sagt die
stellvertretende Vorsitzende Gudrun Gorka-Reimus. So komme dann
auch der aktuelle Ausstellungstitel, eben: „Kein Thema“,
zustande. Die Ausstellung eröffnet am Sonntag und wird zeigen,
ob sich aus dem bewussten Verzicht auf eine thematische Vorgabe
eine schlüssige Präsentation ergeben hat.
Die angereisten Werke jedenfalls versprechen einen interessanten
Überblick über das Schaffen der rund 60 Mitglieder des Vereins,
die sich für zwei Überblickausstellungen beworben haben. Streng
alphabetisch geordnet zeigt der Verein in diesem Jahr die
Künstler mit den Anfangsbuchstaben A bis H und im kommenden Jahr
dann weitere Positionen bis zum Ende des Alphabets.
Der Dialog entstand zunächst einmal im Atelier. Denn jedes der
Vorstandsmitglieder hat die Künstlerinnen und Künstler besucht
und im Gespräch die Werke ausgesucht, die nun in der Ausstellung
hängen. Damit weicht der 260 Mitglieder starke Kunstverein von
seinem bisherigen Ausstellungskonzept ab. In den vergangenen
Jahren war jeweils ein Thema vorgeben, zu dem sich die
künstlerisch tätigen Mitglieder des Vereins bewerben konnten.
Rund ein Drittel der Mitglieder seien das, so Gudrun
Gorka-Reimus. Aber auch die anderen seien natürlich stark
kunstaffin, seien es nun Anwälte, Architekten oder gar
Verwaltungsjuristen, die abseits trockenen Aktenstudiums gerne
den freien Odem der Kunst spüren wollten.
Der Überblick der Werke lässt ein bildreiches Schaffen erkennen.
Es reicht von abstrakt-geometrischen Positionen wie derjenigen
Isabel Glathars bis hin zu mit wilden Pinselhieben souverän
hingehauenen Kuhköpfen von Theresa Beitl. Auch einige
skulpturale Arbeiten sind vorhanden: Leuchtelemente von Rainer
Gottemeier, ein gestalteter Eierkarton von Birgit Ginkel, und
silbern schimmerndes Plastikspielzeug von Silvia Klara
Breitwieser. Was wohl einmal als nettes Spielzeug gedacht war,
um die Fantasie von Kindern anzuregen, bekommt in Zeiten
allgegenwärtiger Terrordiskussionen und Bedrohung eine ganz
andere Dimension. „Zeughaus Welt“ ist der Titel der
siebenteiligen Installation von Breitwieser. Sie stammt aus dem
Jahr 1990 und wird auf weißen Sockeln in einer aktuellen Version
gezeigt. Denn die Spielzeuge haben ihre ursprüngliche Funktion
und Form verloren. Es erscheinen wie zusammen gesetzte
Zwitterwesen, Chimären aus verschiedenen Teilen gebaut, die hier
Panzerketten, dort Hubschrauberflügel und dahinten
Lenkwaffensysteme erkennen lassen. Unifarben silbern lackiert
marschieren sie auf wie eine bedrohliche Armada. Eine
zusammengebastelte Fantasiearmee, nicht unähnlich dem disparaten
Erscheinungsbild der konfusen Truppen der Terrorarmee des
sogenannten Islamischen Staates. Die 77-jährige Künstlerin
demonstriert mit der Arbeit, dass ihr vielstimmiges Werk auch
heute noch eine Höhe, Konsequenz und Aktualität erreicht, die
nur wenige ihrer Kollegen über mehrere Jahrzehnte halten
konnten.
Aber es gibt auch den Gegenpol – die Kunst um der reinen Kunst
willen: Bettina Albrechts kleinformatige Farbtafeln kommen mit
einer pastosen Wucht daher, die eine ungeheure Freude am
Material und an der ureigensten Sache der Kunst – der
Wahrheitsfindung über die Form – erkennen lässt. Geschaffen in
unspektakulären Grau-, Blau- und Schwarztönen schaffen die
Farbtafeln dennoch einen starken und stimmigen Klang. Die
gleiche Kraft der Abstraktion findet sich auch in dem Bild LUUA
II von Marianne Gielen, das ein ungleich vielfarbigeres Spektrum
aufspannt, aber durch ein scheinbar unterliegendes schwarzes
Gitternetz erhebliche Spannung aufbaut. Nachdem der Kunstverein
das Jahr mit einem Überblick über das Schaffen seiner Mitglieder
beginnt, folgen dann Einzelausstellungen, die häufig in
Kooperationen mit größeren Institutionen stattfinden. Anna
Werkmeister befasst sich zusammen mit dem Potsdam Museum mit
Landschafträumen, Susanne Pomrehn schafft in Kooperation mit dem
Kulturland Brandenburg e.V. eine mehrteilige, multimediale
Collagearbeit zum Luther-Jahr und Robert Gschwanter arbeitet mit
Instituten in Rom und Österreich zusammen. Richard Rabensaat
Die Ausstellung „Kein Thema“ ist bis zum 26. Februar im
Kunstverein KunstHaus Potsdam, Ulanenweg 9, zu sehen
pnn 07.01.2017
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